Discussion:
Metaphysisches Liebes-Spielen
(zu alt für eine Antwort)
Ingrid Liebeler
2009-09-28 07:16:43 UTC
Permalink
Keinesfalls OT!
Metaphysisches Liebes-Spielen
Aus: Sam Keen - Die Lust an der Liebe
Die Frage des Liebenden bildet das Zentrum der Religion und ist die
Grundlage fuer eine Metaphysik des Mitgefuehls: Ist Liebe ein
psychologisches Phaenomen oder ein ontologischer Strom? Sind die Zeichen der
Liebe, die wir in zwischenmenschlichen Beziehungen beobachten, auch auf die
Beziehung zwischen dem Selbst und seiner Welt anwendbar? Ist die tiefste
befriedigende menschliche Erfahrung eine Linse, durch die wir zu Recht auf
den Kosmos blicken duerfen? Spiegelt der Mikrokosmos den Makrokosmos wider?
Besteht eine Analogie zwischen menschlicher und nichtmenschlicher Realitaet?
Wie gleicht das Leben einer Liebesaffaere?
Es war einmal eine Zeit, da glaubten Philosophen und Wissenschaftler, die
Realitaet sei aus unteilbaren Atomen aufgebaut, die zusammenstiessen wie
Kugeln auf einem Billardtisch. Zufall und das Gesetz von Ursache und Wirkung
schufen eine komplexe Welt. Heutzutage meinen die Physiker, wie die
wildaeugigen Mystiker und die altmodischen Idealisten vor ihnen, das
Bewusstsein koenne alles durchdringen. Alfred North Whitehead sagte (und
Bells Theorem scheint das zu belegen), dass das Universum ein System von
wechselseitig einander erfassenden Einzelwesen ist. In der ganzen Welt gibt
es nichts Losgeloestes oder Unbeteiligtes; nichts, was teilnahmslos,
unbeweglich oder unberuehrt waere. Es scheint, als befaenden wir uns in
einem hochkomplexen, gedankenreichen Organismus, der eine Evolution in
Richtung auf einen unfassbaren Zustand maximalen Bewusstseins durchlaeuft.
Da die menschliche Wahrnehmung des Ganzen immer durch den begrenzten
Nervenapparat des Gehirns gefiltert wird, sind unsere besten Visionen
unausweichlich bruchstueckhaft oder voreingenommen. Jeder Beleg fuer eine
Metaphysik des Mitgefuehls muss notwendigerweise spekulativ - oder
spielerisch - sein, er bleibt eine Sache des Denkens im Konjunktiv.
Wenn alles bewusst ist, sind wir Glieder in einem Netzwerk der Erkenntnis.
Realitaet ist Mit-Wissen. Und da Erkenntnis immer ein gewisses Mass an
Empfinden einschliesst, ist alles in einem mitfuehlenden System verknuepft.
Der Kosmos ist eine menage ad infinitum. Die Wissenschaft belauscht eine
verwickelte Liebesaffaere, sie spuert der unbeweisbaren Liaison zwischen
Quarks und scharzen Loechern nach und erforscht die Sitten der Partikel. Bis
vor kurzem begnuegten sich die Wissenschaftler damit, Voyeure zu sein; aber
Heisenberg zeigte, dass das luesterne Interesse der Forscher das erotische
Verhalten ihrer Gegenstaende beeinflusste. Sobald man beginnt, ein
subatomares Partikel zu beobachten, spielt es fuer die Kamera etwas vor.
Jetzt muessen die Wissenschaftler also vor aller Forschung anerkennen, dass
ihre Begierden die Reichweite der Beobachtungen einschraenken. Daraus ergibt
sich eine interessante Moeglichkeit. Vielleicht sind nur die mitfuehlendsten
Wissenschaftler in der Lage, das Mitgefuehl der Partikel zu entdecken.
Mystische Physiker spueren ueberall Bewusstsein auf. Eine vollends erotische
Generation von Wissenschaftlern koennte herausfinden, dass der Kosmos durch
Lust bewegt wird. Wenn das als zu weit hergeholt erscheint, muessen wir nur
daran erinnern, dass die Wissenschaftler, als sie noch in eine Liebesaffaere
mit den Maschinen verstrickt waren, ein mechanistisches Weltbild schufen.
Physik, die vom Herzen kommt, koennte die Vision einer herzlichen Welt
hervorbringen.
Wir wollen fuer einen Moment ueber die wildeste Folgerung unserer erotischen
Metapher nachdenken. Was, wenn der mystische Koerper des Sein-Werdens
selbst, eine Inkarnation im Kosmos, seinerseits der Hoehepunkt eines
Liebesakts - ein Orgasmus - ist?
Eines Tages, als ich durch San Francisco lief, stiess ich auf ein Gebaeude,
an das jemand geschrieben hatte: The World is coming (Die Welt kommt). Ich
stellte mir vor, dass irgendein frustrierter Jesus-Freak gerade verhaftet
wurde, als er noch schreiben wollte: to an end (zu ihrem Ende). (Fuer den
apokalyptischen Geist ist die Geschichte ein coitus interruptus, ein
unvollendeter Akt, der auf einen Hoehepunkt wartet, der niemals kommt. Heute
hoert die Welt auf; morgen kommt sie zum zweiten Mal. Nichts als
Verheissungen. Fundamentalisten und Kapitalisten stellen die Befriedigung
immer zurueck. Beide glauben, das Ziel, welches das Leben sinnvoll macht,
liege in der Zukunft. Eines Tages, nach einem Jahrtausend moralischen
Verhaltens und harter Arbeit, werden wir in ein Reich des Muessiggangs und
der Freude eingelassen. Der eventuelle Orgasmus ist die versprochene
Belohnung fuer Fleiss und die Anwendung der richtigen Techniken. Das Reich
kommt - morgen. Inzwischen arbeiten und kaempfen wir.)
Diesen Morgen kam es mir so vor, als koenne >>die Welt kommt<< eine
metaphysische Maxime sein, von irgendeinem kosmopolitisch Liebenden allen
zur Kenntnis hingemalt, und gar nicht die Warnung eines frustrierten
Endzeitpropheten. Vielleicht spricht irgendein erotischer Visionaer eine
gewagte Vermutung aus: Die Welt ist ein Orgasmus; der Kosmos ist ein
Zustandekommen von getrennten Einzelwesen, eine freudige Vereinigung von
Partikeln.
Die Idee ist wild genug, um interessant zu sein, wolluestig genug, um
orthodoxe Theologen, Wissenschaftler, Krieger und ernsthafte Denker zu
schockieren. Sie ist es offenbar wert, weiterverfolgt, oder vielleicht
sollte ich sagen, herausgekitzelt zu werden.
Aber was koennten den eigentlich harte Fakten zu einer solchen
Weltanschauung beitragen?
Beginnen wir mit einem einzelnen Atom. Das Phaenomen ist hinreichend
neutral, so will es scheinen. Bis wir genauer hinsehen. Unter dem Mikroskop
sieht das Atom eher aus wie ein Liebesnest und nicht wie eine
Maschinenwerkstatt. Der maennliche Kern sitzt im Zentrum eines Koenigreichs
und sendet eine positive, moschusartige Ladung aus. Elektronen wirbeln wie
tanzende Maedchen herum, necken orbital und halten durch negative Ladung
ihren Abstand. Eindeutig bindet die Lust sie in einem Liebestanz aneinander.
Wissenschaftler, die nicht annehmen wollen, dass unter den Elementarteilchen
etwas Pornographisches vor sich geht, haben sich diskret darauf geeinigt,
die Gemeinschaft der Partikel mit einem einzigen Namen zu belegen - Atom. In
Wahrheit gibt es Adam nicht ohne Eva, Plus nicht ohne Minus, Yin nicht ohne
Yang. Das kleinste uns bekannte Partikel ist bereits ein organisiertes
Stueck Energie, das sich im aktiven Verkehr mit anderen Partikeln befindet.
Man denke an das Molekuel. Benzol ist der gaengige Name fuer eine
Liebesbeziehung zwischen Wasserstoff- und Kohlenstoffatomen.
H2O ist eine menage a trois.
H2SO4 ist eine multiple Ehe mit gefaehrlichen Moeglichkeiten.
Und wer bin ich? Natuerlich ein Individuum. Niemand hat dieselben
Fingerabdruecke oder denselben Namen wie ich. Ich bin einmalig. Oft fuehle
ich mich einsam. Dann faellt mir ein, dass ich ein Wir bin. Innerhalb meiner
undurchlaessigen Haut leben eine Billion Zellen, organisiert in
komplizierten Gemeinschaften, die Herz, Leber, Knochen und Gehirn genannt
werden. Wenn die Flut bei Vollmond anschwillt, ist mein Schlaf unruhig, weil
irgendeine Woge, die Sterne und Atome verbindet, wie die Flut durch meinen
Koerper spuelt. Und Pflanzen, Katzen und andere Lebewesen stimmen sich auf
die Schwingungen ein, die ich aussende, und bluehen, schnurren oder
verkriechen sich vor meiner feindseligen Absicht. Nur wenn ich vergesse, wie
poroes ich fuer die fliessende Welt bin, gebe ich vor, ein einzelnes Selbst
zu sein. Wenn ich auf den Rhythmus meiner Inspiration und Exspiration
eingestimmt bin, besinne ich mich darauf, das Zusammenkommen einer
Gemeinschaft von Atomen zu sein. Ich bin eine kleine Welt, ein Mikrokosmos.
Alles, was irgendwo in der Welt geschieht, passiert in mir. Der Mond geht in
meinem Blut auf; der Flieder blueht in meiner Nase; in den Atomen, die meine
Substanz bilden, werden Sonnen geboren und explodieren wieder. Ich und die
Welt sind ein Koerper.
Und was ist die Welt? Explosionen innerhalb von Explosionen innerhalb von
Explosionen. Eine Reihe von Hoehepunkten. Es kommt schon. Jeder Anfang ist
ein Ende. Jedes Sein ist ein Werden - ein Urknall. Der Kosmos ist ein
goettlicher Orgasmus. Hegel sagte es: Das Wesen der Dinge ist das goettliche
Subjekt; Stoff ist Geist; Materie ist Bewusstsein; die Welt ist das Leben
Gottes; der Kosmos ist Liebe, die sich selbst genuegt. Jedes Selbst ist eine
Gemeinschaft von Atomen und Zellen, die sich zu ungehoerten Harmonien
bewegen. Was geschieht, ist Beziehung. Dieser Augenblick ist das Produkt des
Zusammenkommens getrennter Partikel, ad infinitum.
Hier und jetzt enden die Dinge. Heute ist der Hoehepunkt. Die Welt kommt.
Schoepfung oder Fortpflanzung; stets kommen Dinge zusammen, um neue Dinge
hervorzubringen. Mit jedem neuen Ding wird eine neue Hoffnung geboren. Der
Augenblick ist eine Manifestation der Liebe oder der Beziehung.
...
An meinen besten Tagen glaube ich zu wissen, was es bedeutet, ein Liebender
zu sein. Sie kennen diese besonderen Tage, die ich meine. Die Ampeln
springen auf Gruen, wenn ich mich ihnen naehere; Parkplaetze werden frei;
ich treffe ganz unerwartet einen alten Freund, den ich schon seit Jahren
nicht mehr gesehen habe; meine geheimen und schwierigen Gedanken bekommen
Fluegel und steigen auf; der ganze Lebensstrom scheint mit Ebbe und Flut
meiner persoenlichen Gedanken synchron zu sein.
Koinzidenz, Glueck, Gleichzeitigkeit, Zufall. Strenge Denker wuerden darauf
beharren, dass alle scheinbar magischen Geschehnisse mit solchen
natuerlichen Kategorien erklaerbar sind. Fuer den Skeptiker ist es irgendwie
troestlich, ein seltsames und bedeutungsvolles Zusammentreffen unerwarteter
Elemente mit einem Wort wie "Zufall" etikettieren zu koennen und es durch
die Gesetze der Wahrscheinlichkeit zu erklaeren. Zweifellos stehen in einem
unendlichen Meer von Moeglichkeiten in einer unendlichen Zeit die Chancen
fuer das Unmoegliche ganz gut. Aber ich hatte immer den Verdacht, dass die
Begriffe Zufall, Koinzidenz oder gar Gleichzeitigkeit fadenscheinige
philosophische Konstruktionen sind, die, in aller Eile erdacht, dazu dienen
sollen, eine peinliche Luecke im Panzer der Denker zu schliessen, die sich
entschlossen haben, um jeden Preis erwachsen und vernuenftig zu sein.
Schliesslich bedeutet "Ko-inzidenz" nur, dass zwei Dinge gleichzeitig
passieren - oder zusammentreffen. Und das Zusammentreffen kann ebenso gut
ein Zeichen fuer mystische Harmonie wie die Folge kosmischer
Gleichgueltigkeit sein. Bleiben wir auf der Erfahrungsebene, dann scheinen
seltsame Gleichzeitigkeiten das Resultat einer besonderen Gnade zu sein.
Vor mehreren Jahren, als ich an der Ostkueste der USA lebte, flog ich nach
San Francisco, mietete einen Wagen und fuhr nach Big Sur. Meine alte
Freundin lebte in Seaside, und ich wollte sie besuchen, hatte ihr aber nicht
geschrieben, weil ich nicht wusste, ob ich genuegend Zeit haben wuerde. Als
ich durch Monterey fuhr, hielt ich an, um zu telefonieren. Es meldete sich
niemand. Ich ging aus der Telefonzelle zu einer Werkstatt hinueber, die
dreissig Meter entfert war; dort kam mir Jane aus der Tuere entgegen.
Koinzidenz? Zufall? Was bedeutete das? Es schien, als sei das
Zusammentreffen arrangiert gewesen. Wie? Von wem? Warum? Ich finde keine
Antwort. Nur beharre ich darauf, nahe bei den Gefuehlen der Erfahrung zu
bleiben, so kindisch das auch sein mag. Ich vermute, dass solche
Erfahrungen, auch wenn sie nicht taeglich auftreten, fuer das Leben der
meisten Menschen so gewoehnlich sind wie Gewitter oder Vergissmeinnicht.
Unsere Verlegenheit bei ungewoehnlichen Erfahrungen und unsere Manie, "reif"
zu sein und in einer wissenschaftlich abgesicherten Welt zu leben, laesst
uns solche Vorkommnisse unterdruecken und als Zufall abschreiben. Wir
sprechen nicht gerne ueber okkulte Vorfaelle, weil sie unsere sicheren
Verstandeskategorien zertruemmern und uns das Gefuehl geben, wir lebten noch
in der magischen Welt der Kindheit. Unser erwachsenes Ich weiss sehr wohl,
dass unsere muehsam aufgebauten und leidenschaftlich verteidigten Modelle
der "Realitaet" in Gefahr geraten, sobald wir anfangen, seltsame und
wunderliche Geschehnisse ins Bewusstsein eindringen zu lassen. Eine einzige
authentische Gleichzeitigkeit kann die Welt des Rationalisten erschuettern
und den Zerfall der Persoenlichkeit herbeifuehren. Und dann kommen die
radikalen Fragen: "Einst traeumte ich, ich sei ein Schmetterling. Nun weiss
ich nicht: war ich da ein Mensch, der traeumt, er sei ein Schmetterling,
oder bin ich jetzt ein Schmetterling, der traeumt, er sei ein Mensch?" So
fragt der Philosoph Tschuang-Tse. Kaempfen wir, weil die Welt gefaehrlich
ist, oder ist die Welt gefaehrlich, weil wir kaempfen? Ist Liebe eine
Illusion oder die grundlegende Realitaet, aufgrund derer sich die Welt
dreht...?
Soviel weiss ich sicher: Je weniger ich sicher weiss, desto mehr mystische
Bestaetigung erhalte ich dafuer, dass ich (und du und wir) an einem
kosmischen Tanz beteiligt sind, in dem jeder einzelne zentral ist. Das
Zentrum ist ueberall. Dieses Universum wurde speziell fuer jeden Menschen
geschaffen. Ist diese Idee zu radikal, dann moechte ich sie umkehren: Eine
Person zu sein, bedeutet, in einem Kontext zu leben, in dem man weiss, dass
man geplant, erwuenscht, erschaffen, versorgt und angesprochen ist. Oder
vielleicht ist die Welt, wie das I Ging, ein Orakel, das nur dann Bedeutung
gewinnt, wenn ich es persoenlich nehme. Wenn ich darauf vertraue, dass mir
die Welt den taeglichen Sinn und die Richtung gibt, die ich zu einem
harmonischen Leben brauche, dann erscheinen mir alle gewoehnlichen
Ereignisse als Omen, die mich leiten. Es genuegt eben nicht, solche
Erfahrung zu negieren, indem man sie magisch, oberflaechlich oder primitiv
nennt.
Solange ich mit der Idee spiele, dass wir eine erotische Beziehung zu der
Matrix haben, die unser individuelles Leben umschliesst, kann ich auch
zugeben, dass es mir so erscheint, als empfingen wir alle kosmische
Liebeszeichen. Botschaften, Omen, Stimmen, Rufe, Offenbarungen und Appelle
sind in alltaeglichen Ereignissen enthalten. Wenn wir nur wuessten , wie wir
darauf hoeren, wie die Zeichen deuten sollen. ... Viele grosse Liebende
bezeugen, dass das Leben eine Berufung ist, dass es ihnen staendig
Botschaften in ihr inneres Ohr fluestert.
Von allen Dingen und allen Menschen werden wir gleichsam mit leiser oder
lauter Stimme angerufen. Sie haben das Verlangen, dass wir auf sie
hoeren.....
Jeder von uns steckt in einem Panzer, dessen Aufgabe es ist, die Zeichen
abzuwehren. Zeichen geschehen uns unablaessig, leben heisst angeredet
werden, wir brauchen uns nur zu stellen, nur zu vernehmen. ....
....
Gleichzeitigkeiten, magische Zeichen, Omen, persoenliche Offenbarungen,
Orakel im Alltag - was beweisen diese Erfahrungen? Gewiss koennen sie nicht
ueber jeden vernuenftigen Zweifel erhaben, beweisen, dass die Welt eher
einer Liebesaffaire als einem Schlachtfeld gleicht. Es ist durchaus
moeglich, solche Erfahrungen als schizophrene Mini-Schuebe abzutun, als
Hinweise auf die pathologische Tendenz zur Ich-Aufblaehung. Schizophrene,
Mystiker und Liebende haben tatsaechlich die gemeinsame Neigung, Ereignisse
so zu interpretieren, als seien sie direkt an sie gerichtet. Liebe und
Wahnsinn sind verwandt, weil beide in einer super-rationalen Welt
existieren, in der Beweise keine Rolle mehr spielen. Zu lieben oder sich der
Wahrnehmung zu oeffnen, dass man geliebt wird, ist immer ein Risiko. Liebe
und Beweis bilden die entgegengesetzten Enden der Skala. In der Liebe geht
es nicht um Verifizierung, sondern um Schoepfung. Liebe ist eine Sache der
Zukunft, nicht der Vergangenheit.
....
Was, wenn ich mich entscheide, im Konjunktiv zu leben, und der Welt erlaube,
mit mir zu spielen, mich zu liebkosen und anzusprechen, als waere ich ihr
Liebhaber? Das wuerde einen grossen Glaubenssprung voraussetzen. Ich muesste
mich entwaffnen und auf kritisches Urteil verzichten. Liebe gedeiht nicht in
der Atmosphaere der Kritik. Nur durch den Sprung in radikale Offenheit
koennte ich die fantastische Hypothese ueberpruefen, dass die Welt wie eine
Liebesaffaere ist. Zu tun, als ob, verwandelt Tatsachen in Fiktion und
laesst die Frage aufkommen: Wer ist der Autor meines Lebens, welche
Autoritaet bestimmt, wie ich die Welt erfahre? Lieben bedeutet, dass man die
Macht gewinnt, Tatsachen in Fiktion zu verwandeln. Die Unterscheidung
zwischen Tatsache und Fiktion ist selber ein schlechtes Stueck Fiktion -
pseudowissenschaftliche Prosa aus einem Melodrama des neunzehnten
Jahrhunderts.
Es gibt noch einen letzten Beleg fuer diese freie, fantastische und
erotische Hypothese. Je mehr ich handle, als sei ich der Nexus einer
liebevollen Verschwoerung, desto mehr Botschaften erhalte ich, desto mehr
Gleichzeitigkeiten treten auf, desto mehr komme ich mit meiner kosmischen
Umgebung zusammen und verliere mein Gefuehl, ein entfremdetes Atom in einem
Billardkugeluniversum zu sein, desto poroeser werde ich fuer die
Wellen-Schwingungen-Einmischungen-Einladungen anderer Menschen, Tiere
Pflanzen und Mineralien, die gemeinsam mit mir auf diesem Planeten
existieren. Kurz gesagt, je mehr in annehme, dass ich intim mit einem
unendlichen Gemeinwesen mitfuehlenden Bewusstseins verwachsen bin, desto
mehr zerfaellt die alte Idee, dass ich ein hermetisch abgeschlossenes
Individuum mit einem geistigen Computer bin, der einem vorgegebenen
genetischen oder sozialen Programm folgt. Je mehr ich handle , als gehoere
die Faehigkeit der Empathie zum menschlichen Wesen, desto mehr gleicht mein
altes amerikanisches WASP maennliches, modernes kritisches Selbst einer
Illusion. (WASP = White Anglo-Saxon Protestant.) Wenn die Wiederentdeckung
des Mitgefuehls zur allermenschlichsten Moeglichkeit wird, dann sieht das
Machtstreben allmaehlich wie die Ursache unserer Krankheit aus. Spueren Sie
die Mischung aus Furcht und Erregung in der Magengrube? Es ist immer so,
wenn wir auf des Messers Schneide stehen und die atemberaubenden
Moeglichkeiten der menschlichen Freiheit erahnen. Wir zittern vor unserer
ungeheuren Macht, die wir haben, um eine Welt zu schaffen.
....
Wir muessen aufhoeren, uns nur mit dem nackten Ueberleben zu beschaeftigen,
wir muessen die bewaffnete Festung der Kriegerpsyche aufgeben, unsere
Berufung als Heilende annehmen und uns auf die Reise machen, die weder
Anfang noch Ende hat. Es kann sein, dass wir die Verheissung , die
menschliche Wesen beseelt, nur dann entdecken, wenn wir es wagen, Liebende
zu werden.
Bon voyage.
Ingrid am Montag
Werner Merk
2009-09-28 07:23:09 UTC
Permalink
Post by Ingrid Liebeler
Keinesfalls OT!
[ Weitere 293 Zeilen OFF-Topic-MIST gelöscht]

Aber ja doch, das ist OT!

Da gibts heut abend wieder Nadeln fürs Püppchen! Versprochen! Mögest du
dafür in der Hölle schmoren.

wm
--
"Fehlerfinden ist eine schwere Krankeit der Psyche."
Der Astrologe ("Karmacharakteranalysen") Volker Doormann,
August 2009 in daa, als man ihn auf einige sachliche Fehler
in seinem Geschreibsel hinwies.
Ingrid Liebeler
2009-09-28 07:26:34 UTC
Permalink
On Mon, 28 Sep 2009 09:16:43 +0200, Ingrid Liebeler
<Astro-***@t-online.de> wrote:

[...] snip
An meinen besten Tagen glaube ich zu wissen, was es bedeutet, ein Liebender
zu sein. Sie kennen diese besonderen Tage, die ich meine. Die Ampeln
springen auf Gruen, wenn ich mich ihnen naehere; Parkplaetze werden frei;
ich treffe ganz unerwartet einen alten Freund, den ich schon seit Jahren
nicht mehr gesehen habe; meine geheimen und schwierigen Gedanken bekommen
Fluegel und steigen auf; der ganze Lebensstrom scheint mit Ebbe und Flut
meiner persoenlichen Gedanken synchron zu sein.
Koinzidenz, Glueck, Gleichzeitigkeit, Zufall. Strenge Denker wuerden darauf
beharren, dass alle scheinbar magischen Geschehnisse mit solchen
natuerlichen Kategorien erklaerbar sind. Fuer den Skeptiker ist es irgendwie
troestlich, ein seltsames und bedeutungsvolles Zusammentreffen unerwarteter
Elemente mit einem Wort wie "Zufall" etikettieren zu koennen und es durch
die Gesetze der Wahrscheinlichkeit zu erklaeren. Zweifellos stehen in einem
unendlichen Meer von Moeglichkeiten in einer unendlichen Zeit die Chancen
fuer das Unmoegliche ganz gut. Aber ich hatte immer den Verdacht, dass die
Begriffe Zufall, Koinzidenz oder gar Gleichzeitigkeit fadenscheinige
philosophische Konstruktionen sind, die, in aller Eile erdacht, dazu dienen
sollen, eine peinliche Luecke im Panzer der Denker zu schliessen, die sich
entschlossen haben, um jeden Preis erwachsen und vernuenftig zu sein.
Schliesslich bedeutet "Ko-inzidenz" nur, dass zwei Dinge gleichzeitig
passieren - oder zusammentreffen. Und das Zusammentreffen kann ebenso gut
ein Zeichen fuer mystische Harmonie wie die Folge kosmischer
Gleichgueltigkeit sein. Bleiben wir auf der Erfahrungsebene, dann scheinen
seltsame Gleichzeitigkeiten das Resultat einer besonderen Gnade zu sein.
Vor mehreren Jahren, als ich an der Ostkueste der USA lebte, flog ich nach
San Francisco, mietete einen Wagen und fuhr nach Big Sur. Meine alte
Freundin lebte in Seaside, und ich wollte sie besuchen, hatte ihr aber nicht
geschrieben, weil ich nicht wusste, ob ich genuegend Zeit haben wuerde. Als
ich durch Monterey fuhr, hielt ich an, um zu telefonieren. Es meldete sich
niemand. Ich ging aus der Telefonzelle zu einer Werkstatt hinueber, die
dreissig Meter entfert war; dort kam mir Jane aus der Tuere entgegen.
Koinzidenz? Zufall? Was bedeutete das? Es schien, als sei das
Zusammentreffen arrangiert gewesen. Wie? Von wem? Warum? Ich finde keine
Antwort. Nur beharre ich darauf, nahe bei den Gefuehlen der Erfahrung zu
bleiben, so kindisch das auch sein mag. Ich vermute, dass solche
Erfahrungen, auch wenn sie nicht taeglich auftreten, fuer das Leben der
meisten Menschen so gewoehnlich sind wie Gewitter oder Vergissmeinnicht.
Unsere Verlegenheit bei ungewoehnlichen Erfahrungen und unsere Manie, "reif"
zu sein und in einer wissenschaftlich abgesicherten Welt zu leben, laesst
uns solche Vorkommnisse unterdruecken und als Zufall abschreiben. Wir
sprechen nicht gerne ueber okkulte Vorfaelle, weil sie unsere sicheren
Verstandeskategorien zertruemmern und uns das Gefuehl geben, wir lebten noch
in der magischen Welt der Kindheit. Unser erwachsenes Ich weiss sehr wohl,
dass unsere muehsam aufgebauten und leidenschaftlich verteidigten Modelle
der "Realitaet" in Gefahr geraten, sobald wir anfangen, seltsame und
wunderliche Geschehnisse ins Bewusstsein eindringen zu lassen. Eine einzige
authentische Gleichzeitigkeit kann die Welt des Rationalisten erschuettern
und den Zerfall der Persoenlichkeit herbeifuehren. Und dann kommen die
radikalen Fragen: "Einst traeumte ich, ich sei ein Schmetterling. Nun weiss
ich nicht: war ich da ein Mensch, der traeumt, er sei ein Schmetterling,
oder bin ich jetzt ein Schmetterling, der traeumt, er sei ein Mensch?" So
fragt der Philosoph Tschuang-Tse. Kaempfen wir, weil die Welt gefaehrlich
ist, oder ist die Welt gefaehrlich, weil wir kaempfen? Ist Liebe eine
Illusion oder die grundlegende Realitaet, aufgrund derer sich die Welt
dreht...?
Soviel weiss ich sicher: Je weniger ich sicher weiss, desto mehr mystische
Bestaetigung erhalte ich dafuer, dass ich (und du und wir) an einem
kosmischen Tanz beteiligt sind, in dem jeder einzelne zentral ist. Das
Zentrum ist ueberall. Dieses Universum wurde speziell fuer jeden Menschen
geschaffen. Ist diese Idee zu radikal, dann moechte ich sie umkehren: Eine
Person zu sein, bedeutet, in einem Kontext zu leben, in dem man weiss, dass
man geplant, erwuenscht, erschaffen, versorgt und angesprochen ist. Oder
vielleicht ist die Welt, wie das I Ging, ein Orakel, das nur dann Bedeutung
gewinnt, wenn ich es persoenlich nehme. Wenn ich darauf vertraue, dass mir
die Welt den taeglichen Sinn und die Richtung gibt, die ich zu einem
harmonischen Leben brauche, dann erscheinen mir alle gewoehnlichen
Ereignisse als Omen, die mich leiten. Es genuegt eben nicht, solche
Erfahrung zu negieren, indem man sie magisch, oberflaechlich oder primitiv
nennt.
Solange ich mit der Idee spiele, dass wir eine erotische Beziehung zu der
Matrix haben, die unser individuelles Leben umschliesst, kann ich auch
zugeben, dass es mir so erscheint, als empfingen wir alle kosmische
Liebeszeichen. Botschaften, Omen, Stimmen, Rufe, Offenbarungen und Appelle
sind in alltaeglichen Ereignissen enthalten. Wenn wir nur wuessten , wie wir
darauf hoeren, wie die Zeichen deuten sollen. ... Viele grosse Liebende
bezeugen, dass das Leben eine Berufung ist, dass es ihnen staendig
Botschaften in ihr inneres Ohr fluestert.
Von allen Dingen und allen Menschen werden wir gleichsam mit leiser oder
lauter Stimme angerufen. Sie haben das Verlangen, dass wir auf sie
hoeren.....
Jeder von uns steckt in einem Panzer, dessen Aufgabe es ist, die Zeichen
abzuwehren. Zeichen geschehen uns unablaessig, leben heisst angeredet
werden, wir brauchen uns nur zu stellen, nur zu vernehmen. ....
....
Gleichzeitigkeiten, magische Zeichen, Omen, persoenliche Offenbarungen,
Orakel im Alltag - was beweisen diese Erfahrungen? Gewiss koennen sie nicht
ueber jeden vernuenftigen Zweifel erhaben, beweisen, dass die Welt eher
einer Liebesaffaire als einem Schlachtfeld gleicht. Es ist durchaus
moeglich, solche Erfahrungen als schizophrene Mini-Schuebe abzutun, als
Hinweise auf die pathologische Tendenz zur Ich-Aufblaehung. Schizophrene,
Mystiker und Liebende haben tatsaechlich die gemeinsame Neigung, Ereignisse
so zu interpretieren, als seien sie direkt an sie gerichtet. Liebe und
Wahnsinn sind verwandt, weil beide in einer super-rationalen Welt
existieren, in der Beweise keine Rolle mehr spielen. Zu lieben oder sich der
Wahrnehmung zu oeffnen, dass man geliebt wird, ist immer ein Risiko. Liebe
und Beweis bilden die entgegengesetzten Enden der Skala. In der Liebe geht
es nicht um Verifizierung, sondern um Schoepfung. Liebe ist eine Sache der
Zukunft, nicht der Vergangenheit.
....
Was, wenn ich mich entscheide, im Konjunktiv zu leben, und der Welt erlaube,
mit mir zu spielen, mich zu liebkosen und anzusprechen, als waere ich ihr
Liebhaber? Das wuerde einen grossen Glaubenssprung voraussetzen. Ich muesste
mich entwaffnen und auf kritisches Urteil verzichten. Liebe gedeiht nicht in
der Atmosphaere der Kritik. Nur durch den Sprung in radikale Offenheit
koennte ich die fantastische Hypothese ueberpruefen, dass die Welt wie eine
Liebesaffaere ist. Zu tun, als ob, verwandelt Tatsachen in Fiktion und
laesst die Frage aufkommen: Wer ist der Autor meines Lebens, welche
Autoritaet bestimmt, wie ich die Welt erfahre? Lieben bedeutet, dass man die
Macht gewinnt, Tatsachen in Fiktion zu verwandeln. Die Unterscheidung
zwischen Tatsache und Fiktion ist selber ein schlechtes Stueck Fiktion -
pseudowissenschaftliche Prosa aus einem Melodrama des neunzehnten
Jahrhunderts.
Es gibt noch einen letzten Beleg fuer diese freie, fantastische und
erotische Hypothese. Je mehr ich handle, als sei ich der Nexus einer
liebevollen Verschwoerung, desto mehr Botschaften erhalte ich, desto mehr
Gleichzeitigkeiten treten auf, desto mehr komme ich mit meiner kosmischen
Umgebung zusammen und verliere mein Gefuehl, ein entfremdetes Atom in einem
Billardkugeluniversum zu sein, desto poroeser werde ich fuer die
Wellen-Schwingungen-Einmischungen-Einladungen anderer Menschen, Tiere
Pflanzen und Mineralien, die gemeinsam mit mir auf diesem Planeten
existieren. Kurz gesagt, je mehr in annehme, dass ich intim mit einem
unendlichen Gemeinwesen mitfuehlenden Bewusstseins verwachsen bin, desto
mehr zerfaellt die alte Idee, dass ich ein hermetisch abgeschlossenes
Individuum mit einem geistigen Computer bin, der einem vorgegebenen
genetischen oder sozialen Programm folgt. Je mehr ich handle , als gehoere
die Faehigkeit der Empathie zum menschlichen Wesen, desto mehr gleicht mein
altes amerikanisches WASP maennliches, modernes kritisches Selbst einer
Illusion. (WASP = White Anglo-Saxon Protestant.) Wenn die Wiederentdeckung
des Mitgefuehls zur allermenschlichsten Moeglichkeit wird, dann sieht das
Machtstreben allmaehlich wie die Ursache unserer Krankheit aus. Spueren Sie
die Mischung aus Furcht und Erregung in der Magengrube? Es ist immer so,
wenn wir auf des Messers Schneide stehen und die atemberaubenden
Moeglichkeiten der menschlichen Freiheit erahnen. Wir zittern vor unserer
ungeheuren Macht, die wir haben, um eine Welt zu schaffen.
....
Wir muessen aufhoeren, uns nur mit dem nackten Ueberleben zu beschaeftigen,
wir muessen die bewaffnete Festung der Kriegerpsyche aufgeben, unsere
Berufung als Heilende annehmen und uns auf die Reise machen, die weder
Anfang noch Ende hat. Es kann sein, dass wir die Verheissung , die
menschliche Wesen beseelt, nur dann entdecken, wenn wir es wagen, Liebende
zu werden.
Bon voyage.
Man sagt auch bzw. das nennt sich auch SYNCHRONIZITÄT.

IL
Nic%l%/aus Kopperne%l%/ski
2009-09-28 20:40:40 UTC
Permalink
Post by Ingrid Liebeler
Keinesfalls OT!
Metaphysisches Liebes-Spielen
Jeder Beleg fuer eine
Metaphysik des Mitgefuehls muss notwendigerweise spekulativ - oder
spielerisch - sein, er bleibt eine Sache des Denkens im Konjunktiv.
Dann ist es keine Metaphysik
Post by Ingrid Liebeler
Die Wissenschaft belauscht eine
verwickelte Liebesaffaere, sie spuert der unbeweisbaren Liaison zwischen
Quarks und scharzen Loechern nach und erforscht die Sitten der Partikel.
Liebeler Du spinnst mit deinen Zitaten.
Post by Ingrid Liebeler
Mystische Physiker spueren ueberall Bewusstsein auf.
? Nö

Es ist viel mehr als Sie sich überhaupt denken können,
Sie sind zu alt um das zu begreifen

Lesen Sie weiter auf narkive:
Loading...